EuGH: HOAI auf Altverträge anwendbar

Jetzt ist der BGH wieder am Zug – nach wie vor erhebliche Rechtsunsicherheit
Titeldaten
  • Hattig, Oliver ; Oest, Tobias
  • Vergabe Navigator
  • Heft 2/2022
    S.7-11
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Aufsatz

Abstract
Der Beitrag beleuchtet die Auswirkungen der EuGH-Entscheidung (Urteil v. 18.01.2022 – C-261/20) auf die sog. Aufstockungsklagen bei Altverträgen. Bereits 2019 hatte der EuGH (Urteil v. 04.07.2019 – C-377/17) entschieden, dass die sich aus § 7 Abs. 1 HOAI 2013 ergebende Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze wegen der in Deutschland nicht ordnungsgemäß erfolgten Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie gegen europäisches Recht verstößt. Daraufhin hatte der deutsche Gesetzgeber mit einer ab dem 01.01.2021 geltenden Neufassung der HOAI reagiert. Da danach die Parteien das Honorar nun wie von der Dienstleistungsrichtlinie gefordert frei vereinbaren können, stellte sich die Frage, ob die bis zum Inkrafttreten der angepassten HOAI verbindlichen Mindestsätze bei Altverträgen trotz des EuGH-Urteils vom 04.07.2019 weiterhin im Rahmen einer Aufstockungsklage geltend gemacht werden konnten. Der BGH legte deshalb in einem Rechtsstreit zwischen einer Immobiliengesellschaft und einem Ingenieur dem EuGH vor und ersuchte um Klärung, ob ein nationales Gericht die europarechtswidrige Mindestsatzregelung unangewendet lassen müsse. Der EuGH antwortete dahingehend, dass ein nationales Gericht nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet sei, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen. Denn hier würde sonst dem Kläger ein ihm nach nationalem Recht zustehendes Recht auf den HOAI-Mindestsatz aufgrund des Art. 15 Abs. 1 Dienstleistungsrichtlinie genommen werden. Da Grund für den Verstoß die fehlende Umsetzung des deutschen Gesetzgebers sei, stünde der geschädigten Partei vom Staat aber Schadensersatz zu. Anschließend analysieren die Autoren die Auswirkung des EuGH-Urteils auf die anstehende Entscheidung des BGH und legen dar, dass diese wohl zugunsten des klagenden Ingenieurs ausfallen werde. Offen bleibe laut der Autoren jedoch, ob die Mindestsätze nach der alten HOAI noch auf Verträge Anwendung finden, die nach dem 04.07.2019 und dem 01.01.2021 geschlossen worden, da hier der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur schwer heranziehbar sei. Auch wirft der Beitrag die Frage auf, ob die EuGH-Entscheidung von 2022 auch auf Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Unternehmen Anwendung findet und bejahen dies mit dem Argument, dass der EuGH mit „Rechtsstreit zwischen Privaten“ alle zivilrechtlichen Streitigkeiten meine. Eine Berufung von öffentlichen Auftraggebern auf die Unionsrechtswidrigkeit der HOAI 2013 aber schließen die Autoren aus, da eine europarechtswidrige Umsetzung einer Richtlinienregelung nicht zum Vorteil der öffentlichen Hand gereicht werden dürfe.
Aline Fritz, FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten, Berlin