Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Dringlichkeitsvergabe

Titeldaten
  • Stumpf, Christoph
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 5/2016
    S.561-567
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Aufsatz

Abstract
Die Autoren untersuchen die Voraussetzungen und Bedingungen von Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung aufgrund von besonderer Dringlichkeit. Sie stellen zunächst fest, dass durch die Novellierung des Vergaberechts die Rahmenbedingungen nicht berührt wurden. Die Ausnahme soll auf extreme Ausnahmefälle begrenzt bleiben. Sodann gehen sie auf die einzelnen Voraussetzungsmerkmale ein. So seien zwingende dringliche Gründe in der Regel nur bei einer echten Notlage gegeben, bloß fiskalische Nachteile sind dagegen unerheblich. In diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, wie die Fälle, insbesondere im Rahmen der Daseinsvorsorge zu betrachten sind, in dem die Notlage zwar noch nicht eingetreten ist, jedoch bei Abschluss eines regulären Vergabeverfahrens absehbar eintreten wird. Auch an die Voraussetzungen der Vorhersehbarkeit sind hohe Anforderungen zu stellen. Die Versagung einer Genehmigung, die Dauer eines Genehmigungsverfahrens sowie der Bedarf von Streusalz im Winter seien beispielsweise vorhersehbar und könnten daher eine Dringlichkeitsvergabe nicht begründen. Für die Zurechenbarkeit reiche es auch, wenn die zwingenden Gründe in der Sphäre des Aufraggebers liegen, auf das Verschulden komme es nicht an. Als weitere Voraussetzung ist zu prüfen, ob dem Auftraggeber die Einhaltung der geltenden – auch verkürzten – Verfahrensfristen unmöglich ist. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Auftraggeber dennoch alle vergaberechtlichen Grundsätze einhalten. Daraus folgt, dass er in der Regel auch mindestens drei Vergleichsangebote einholen muss. Eine Pflicht zur Vorinformation besteht hingegen im Regelfall nicht.
Aline Fritz, FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten, Berlin