Wiederkehr der Parallelausschreibung?

Titeldaten
  • Trautner, Wolfgang
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 12/2023
    S.777-779
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Aufsatz

OLG Hamburg, 20.3.2023 - 1 Verg 3/22

Abstract
Der Aufsatz befasst sich mit einem Beschluss des Vergabesenates des Hanseatischen Oberlandesgerichtes Hamburg vom 20.03.2023 (1 Verg 3/22) insbesondere unter dem Gesichtspunkt, inwieweit dieser einen Beitrag zu der Diskussion um die Zulässigkeit sog. Parallelausschreibungen leistet. Gegenstand der gerichtlichen Beurteilung war ein Realisierungswettbewerb mit nachgeschaltetem Verhandlungsverfahren nach der VgV, der Planungsleistungen für ein größeres Bauvorhaben zum Gegenstand hatte. Die Planungsleistungen sollten sowohl für eine mögliche GU-Vergabe der anschließenden Bauleistungen als auch für deren losweise Vergabe angeboten werden, wobei sich der Auftraggeber vorbehielt, die Entscheidung für eine der beiden Varianten erst im Vertragsvollzug, nämlich nach Abschluss der HOAI-Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung), zu treffen. Dieses durchaus praxisübliche Konzept hatte ein Bieter u.a. mit dem Argument gerügt und vergabegerichtlich angegriffen, dass es sich um eine unzulässige „alternative“ Ausschreibung der Planungsleistungen handele, die gegen die Vorgabe einer hinreichend eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (§ 121 Abs. 1 GWB) verstoße. Dem folgte das Gericht nicht. Es hielt im Ergebnis auch die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung nicht in relevanter Weise für berührt. Da der Auftraggeber die Entscheidung für eine der beiden Varianten erst nach Abschluss des Vergabewettbewerbs treffe, bestehe nicht die Gefahr, dass der Auftraggeber im Vergabewettbewerb (über die Planungsleistungen) mit manipulativer Absicht das Ergebnis der Angebotswertung steuern könne. Nach Auffassung des Rezensenten leistet das Gericht mit dieser Entscheidung einen wichtigen Beitrag zu der Diskussion um die „Parallelausschreibung“ im Bereich des öffentlichen Bauens. Ob dies tatsächlich so ist, erscheint allerdings hiesigen Erachtens fraglich. Denn anders als in den üblicherweise unter den Begriff der Parallelausschreibung subsumierten Fällen ging es in dem seitens des OLG Hamburg entschiedenen Fall gerade nicht um die Sachverhaltskonstellation, dass zur Erreichung des Ausschreibungsziels der zur Prüfung stehenden Ausschreibung zwei oder mehr Angebots- und Ausführungsvarianten zugelassen werden, von denen sich der Auftraggeber im Rahmen der vergleichenden Angebotswertung für eine entscheidet. Eher schon dürfte der Fall der Rechtsdiskussion um die Zulässigkeit von Bedarfs- und Eventualpositionen zuzuordnen sein.
Dr. Martin Dieckmann, ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU, Hamburg