Treue zu fremden Tarifverträgen?

Titeldaten
  • Löwisch, Manfred
  • NZA - Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
  • Heft 6/2024
    S.361-366
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Aufsatz

Abstract
Der Autor bespricht einen Referentenentwurf für ein Tariftreuegesetz, der gegenwärtig in der Bundesregierung abgestimmt wird. § 5 Abs. 1 des Entwurfes würde die Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung einschlägiger repräsentativer Branchentarifverträge knüpfen. Ob die vorgesehene Regelung mit Art. 9 Abs. 3 GG zu vereinbaren ist, bezweifelt der Autor.
Der Aufsatz arbeitet zunächst aus dem Koalitionsvertrag und dem Entwurf heraus, dass wenn mehrere Tarifverträge in Betracht kommen, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) per Rechtsverordnung auf Antrag einer Gewerkschaft oder Arbeitgeberverbandes einen Tarifvertrag als repräsentativ bestimmt, nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 S. 2 AEntG. Praktische Folge sei, so der Autor, dass speziellere Haus- und unternehmensbezogene Tarifverträge auf diesem Wege nicht mehr zur Anwendung kommen.
Aus der Rechtsprechung entnimmt der Autor, dass derartige Entwertungen in die Koalitionsfreiheit stark eingreifen und streng auf ihre Verhältnismäßigkeit zu kontrollieren sind. Zwar müsse sich der Bundesgesetzgeber nicht auf andere gleich geeignete Maßnahmen verweisen lassen, mehrere Aspekte der vorgesehenen Regelung könnten aber unverhältnismäßig sein. Zum einen träfe das BMAS auf Antrag einer Tarifvertragspartei eine gebundene Entscheidung ohne Ermessenspielraum, d.h. ohne zwischen den Parteien noch abzuwägen, zum anderen müsse das BMAS die betroffenen Tarifvertragsparteien nicht vorher anhören. Der Autor schlägt daher vor, analog zur Regelung in § 7 Abs. 4 AEntG auch im neuen Tariftreuegesetz eine Anhörung vorzusehen und so die Interessen der Tarifvertragsparteien zum Ausgleich zu bringen.
Julius Reinhold, kbk Rechtsanwälte, Hannover