Tarifanwendung bei der öffentlichen Auftragsvergabe

Titeldaten
  • Caspers, Georg
  • ZfBR - Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht
  • 2024
    S.225-244
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Aufsatz

Abstract
Der Beitrag untersucht Vorgaben zur Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und geht dabei vertieft auf die europarechtlichen Rahmenbedingungen ein. Als zentrale Frage wird dabei untersucht, ob öffentliche Auftraggeber im Vergabeverfahren darauf bestehen können, dass auch nicht tarifgebundene (insb. ausländische) Unternehmen die Bedingungen lokal geltender Tarifverträge einhalten. Der Verfasser beschreibt zuerst die historische Entwicklung. Als letzter wichtiger Schritt wird die Änderung der Entsenderichtlinie (96/71/EG) im Jahr 2018 genannt, durch welche die Möglichkeiten zur Bestimmung von Arbeitsbedingungen durch die Mitgliedstaaten erweitert wurden. Dies hat zu neuen Regelungen auf Landesebene sowie zum Arbeitsentwurf eines Bundestariftreuegesetzes geführt. Der Verfasser unterscheidet hier zwischen Modellen, die im Gesetz auf tarifvertragliche Bedingungen verwiesen (z.B. Berlin) und solchen, die die Bedingungen durch eine Verordnung festlegen (z.B. Saarland, Bund). Es folgt eine Bewertung der Europarechtskonformität dieser neuen Regelungen. Er stellt zunächst fest, dass sozialstaatlich begründete Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages gemäß Art. 70 der Vergaberichtlinie (2014/24/EU) grundsätzlich zulässig seien. Entsprechend dem Rüffert-Urteil (C-346/06) sei der Maßstab für die Bindung ausländischer Unternehmen an Tarifverträge die Entsenderichtlinie, welche eine solche Bindung auch nach der Rechtsänderung nicht zulasse. Bezüglich Verordnungen zur direkten Regelung der Arbeitsbedingung kommt der Verfasser zu dem Schluss, dass sie entsprechend dem RegioPost-Urteil (C‑115/14) nicht gegen die Entsenderichtlinie verstoßen, aber dass sie größtenteils mit der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit unvereinbar und daher ebenfalls nicht Unionsrechtskonform sein. Zuletzt geht der Verfasser auf den Tariftreuebeschluss des BVerfG ein (11. 7. 2006 – 1 BvL 4/00). Dieser gelte zwar als abschließende Klärung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von Tariftreueregelungen, sei hinsichtlich seiner Verneinung einer Verletzung der positiven Koalitionsfreiheit aber nicht überzeugend
Katharina Weiner,