Die Vorabinformationspflicht im Vergaberechtsschutz: Eine unendliche Geschichte

Titeldaten
  • Dageförde, Angela
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 2/2020
    S.72-77
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§ 134 GWB, § 135 GWB, Art. 18 AEUV, Art. 47 GrCh

BVerfG, BVerfGE 116, 135 ff., OLG Düsseldorf, Besohl. v. 13.12.17 - I-27 U 25/17, 27 U 25/17

Abstract
Die Autorin stellt in ihrem Beitrag den aktuellen Stand des Vergaberechtsschutzes im Hinblick auf eine Vorabinformationspflicht im Bereich oberhalb, als auch unterhalb der Schwellenwerte dar. Im ersten Teil des Beitrags beschreibt sie die geschichtliche Entwicklung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes und stellt anschließend den Status Quo im Kartellvergaberecht oberhalb der Schwellenwerte vor. Anschließend setzt sie sich intensiv mit dem aktuellen Stand des Rechtsschutzes außerhalb des Kartellvergaberechts und insbesondere im Unterschwellenbereich auseinander. Hier beschreibt sie das Fehlen einer allgemeinen gesetzlichen Regelung des Rechtsschutzes im Unterschwellenbereich und stellt einige landesrechtliche Spezialregelungen dar. Anschließend geht sie auf die Möglichkeiten und Grenzen des Eilrechtsschutzes vor den Zivilgerichten ein und setzt sich mit der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 2006 auseinander, in welcher das BVerfG die unterschiedliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes im Ober- und Unterschwellenbereich als verfassungskonform angesehen hatte. Sodann setzt sie sich mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf „Förderverein Freizeitpark“ aus dem Jahre 2017 auseinander und erläutert, dass das OLG Düsseldorf in richterlicher Rechtsfortbildung sowohl eine Vorabinformationspflicht, als auch eine Nichtigkeit bei einem entsprechenden Verstoß für den Unterschwellenbereich entwickelt hat. Im zweiten Teil setzt sich die Autorin mit der Frage auseinander, ob der Gesetzgeber aus europäischem Primärrecht verpflichtet sei, einen effektiveren Rechtsschutz außerhalb des Kartellvergaberechts zu schaffen. Hierbei differenziert sie zwischen der Pflicht zur Schaffung eines Sonderrechtsschutzes und der Pflicht zur Schaffung einer Vorabinformationspflicht. Zunächst setzt sie sich mit Art. 18 AEUV als Rechtsgrundlage auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass in diesem Bereich zwar Ansatzpunkte für eine Verpflichtung zur Schaffung eines Primärrechtsschutzes bei Binnenmarktrelevanz zu finden seien, diesbezüglich aber keine eindeutige Forderung aus einer Entscheidung des EuGH abzuleiten sei. Weiter setzt sie sich damit auseinander, ob eine solche Verpflichtung sich aus Art. 47 GrCH ergeben könne, da dieser verlange, dass gegen jede Verletzung durch das Recht der Union ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden könne. Hier kommt sie zu dem Ergebnis, dass sich aus Art. 47 GrCH wohl eine Vorabinformationspflicht ableiten lasse, dies aber nicht für die Schaffung eines dem Oberschwellenbereich vergleichbaren Rechtsschutzes oder einer Unwirksamkeits- oder Nichtigkeitsregelung gelte. Im Ergebnis erachtet sie eine Verpflichtung für eine Informationspflicht aus dem europäischen Primärrecht bei Binnenmarktrelevanz als ableitbar an und damit auch die Gefahr der Angreifbarkeit dennoch geschlossener Verträge bei einem entsprechenden Verstoß.
Daniel Bens, avocado rechtsanwälte, München