Nachprüfungsinstanzen sind nur für die Überprüfung des unmittelbaren Vergaberechts zuständig!

Titeldaten
  • Kräber, Wolfgang
  • VergabeFokus
  • Heft 6/2020
    S.8-11
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§§ 156 Abs. 2, 97 Abs. 1, Abs. 6 GWB,

VK Rheinland, Beschluss vom 30.07.2020, VK 14/20-L

Abstract
In seinem Aufsatz stellt der Autor einen Beschluss der Vergabekammer Rheinland (Beschluss vom 30.07.2020, VK 14/20-L) vor, in der sich die Vergabekammer damit auseinandersetzt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vergabekammern und Vergabesenate auch zur Prüfung von Vertragsklauseln verpflichtet sind. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens waren vertragliche Regelungen zur Erbringung von Reinigungsleistungen. Im Ergebnis verneinte die VK Rheinland ihre Zuständigkeit mit der Begründung, die Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen sei auf die Überprüfung von Verletzungen des Vergaberechts oder sonstigen Handlungen des öffentlichen Auftraggebers in einem Vergabeverfahren durch die Vorschriften der §§ 156 Abs. 2, 97 Abs. 6 GWB begrenzt. Damit sei ihr die Beurteilung von Sachverhalten entzogen, die dem Vergabeverfahren vor- oder nachgelagert seien und deren Beurteilung eigenständigen, vom Vergaberecht losgelösten Bestimmungen unterliege. Die Vergabekammer sei nur für Verletzungen von Vergaberecht innerhalb eines Vergabeverfahrens zuständig. Daher fehle ihr jede Zuständigkeit für die Überprüfung zivilrechtlicher Normen, die die Durchführung des Auftrags beträfen. Die Korrektur unangemessener Vertragsbestimmungen erfolge im Bedarfsfall durch die ordentlichen Gerichte nach den Vorschriften des BGB. Insbesondere die Frage von Vertragsstörungen und auch diejenige einer Kündigung in der Probezeit unterlägen nicht der Prüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen. Daher sei eine Zuständigkeit der Vergabekammer nicht gegeben. Ein anderes Ergebnis sei nur dann denkbar, wenn über eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm eine Verbindung zwischen der vertragsrechtlichen Vorschrift und vergaberechtlichen Bestimmungen bestehe. Insoweit folge aus dem in § 97 Abs. 1 GWB festgelegten Grundsatz des fairen Wettbewerbs und der Verhältnismäßigkeit bzw. des ebenfalls dort verankerten Grundsatzes von Treu und Glauben, dass die Vergabeunterlagen dem Bieter die Erstellung einer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation ermöglichen müssten. Allerdings seien an die Unzumutbarkeit hohe Ansprüche zu stellen, da nach dem Wegfall des Verbotes ungewöhnlicher Wagnisse auch die damit verbundenen Beschränkungen weggefallen seien. So stelle es gerade keine unzumutbare Risikoverlagerung dar, wenn der Bieter Kalkulationsrisiken tragen solle, die vertragstypischerweise ohnehin von ihm zu tragen seien.
Silke Renner, AOK-Bundesverband, Berlin