Selbstreinigung im Vergaberecht

Titeldaten
  • Ingerowski, Boris
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 3/2022
    S.30-35
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§ 123 GWB, § 124 GWB, § 125 GWB

Abstract
Zunächst stellt der Autor die zwingenden und fakultativen Ausschlussgründe aus §§ 123, 124 GWB dar und beschreibt das frisch in Gang gesetzte Wettbewerbsregister. Daran anschließend beschäftigt er sich mit der Selbstreinigung nach § 125 GWB und der damit verbundenen Möglichkeit, den Nachweis einer wiedererlangten Integrität zu erlangen und dadurch einen Ausschluss vom Vergabeverfahren zu vermeiden. Hierbei zeigt er auf, dass eine Selbstreinigung entweder gegenüber dem konkreten öffentlichen Auftraggeber oder gegenüber dem Bundeskartellamt erfolgen könne, welches dann den Ausschlussgrund im Wettbewerbsregister löschen kann. Auch komme eine Selbstreinigung nur für solche Ausschlussgründe in Betracht, die einerseits nicht im Unternehmen selbst begründet seien und andererseits auch keinen Bezug zu dem konkreten Vergabeverfahren hätten. Daran anschließend stellt der Autor die drei materiellen Anforderungen an eine Selbstreinigung, den vollen Ausgleich oder die Zahlungsverpflichtung für den verursachten Schaden, die aktive und umfassende Aufklärung des Fehlverhaltens und letztlich die konkreten technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen ausführlich vor, wobei er klarstellt, dass die Maßnahmen nicht zwingend abgeschlossen sein müssen, sondern deren Einleitung ausreichend ist, sofern die Wirksamkeit der Maßnahmen bis zum Zeitpunkt der Auftragsdurchführung gewährleistet sei. Im Rahmen der Anforderung des vollen Schadensausgleichs führt der Autor aus, dass ein Schadensausgleich nur dann in Betracht komme, wenn auch tatsächlich ein ausgleichsfähiger materieller Schaden entstanden sei. Dies sei nicht bei allen Ausschlussgründen der §§ 123, 124 GWB der Fall. Wenn ein Schaden entstanden ist, wäre dieser Schaden voll auszugleichen, wobei bei strittiger Höhe eine Verpflichtung zum Schadensausgleich dem Grunde nach ausreichend sei. Im Rahmen des Kriteriums der umfassenden Sachverhaltsaufklärung sei eine aktive Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und dem öffentlichen Auftraggeber erforderlich, wobei ein bloßes Dulden der Aufklärungsmaßnahmen nicht ausreiche, sondern vielmehr eine eigenständige, nach außen tretende Initiative erforderlich sei. Die Kritik an diesem Kriterium, dass ein Unternehmen gezwungen sei, sich selbst zu bezichtigen, tritt der Autor mit dem Argument entgegen, dass sich die Informationen, die das Unternehmen aufklären müsse, sich auf ohnehin bereits – jedenfalls der Behörde – bekannte Sachverhalte beziehe. Im Zusammenhang mit dem Kriterium der Umsetzung personeller sowie technischer und organisatorischer Maßnahmen habe das Unternehmen einen weiten Beurteilungsspielraum. Wobei auf der personellen Ebene die Mitarbeiter, welche sich für das Fehlverhalten verantwortlich gezeigt haben, zu entlassen sind oder zumindest jeglicher weiteren Möglichkeit zur Einflussnahme enthoben werden müssen. Die technischen und organisatorischen Maßnahmen müssen sicherstellen, dass die Verfehlungen in der Zukunft nicht erneut auftreten. Daran anknüpfend führt der Autor die Anforderungen an den Nachweis der Selbstreinigung aus und stellt fest, dass eine aktive, unaufgeforderte Vorlage der Maßnahmen erforderlich sei. Die Darlegungs- und Beweislast treffe das Unternehmen und der Auftraggeber müsse diese nicht selbstständig ermitteln. Der Nachweis sei grundsätzlich im konkreten Verfahren erforderlich oder davon losgelöst gegenüber dem Wettbewerbsregister möglich. Nachfolgend stellt der Autor den Maßstab für die Beurteilung der ergriffenen Selbstreinigungsmaßnahmen durch den Auftraggeber dar. Hierbei ist für die Maßnahmen zur Vergangenheitsbewältigung eine bloße Würdigung ausreichend, bezüglich der zukunftsgerichteten personellen, technischen und organisatorischen Maßnahmen habe der Auftraggeber hingegen einen weiten, nur eingeschränkt überprüfbaren Prognosespielraum. Eine Ausnahme besteht nur insoweit, als dass der Auftraggeber an eine Löschungsentscheidung des Wettbewerbsregisters gebunden sei. Die Entscheidung sei selbstverständlich qualifiziert zu begründen. Abschließend beleuchtet der Autor die Selbstreinigung noch anhand des Wettbewerbsregisters, wobei er davon ausgeht, dass die Selbstreinigung zukünftig durch die Hinweise zur praktischen Durchführung des Bundeskartellamtes bestimmt würden.
Daniel Bens, avocado rechtsanwälte, München