Europarechtliche Vorgaben für ein Bundestariftreuegesetz

Titeldaten
  • Giesen, Richard
  • DB - Der Betrieb
  • Heft 13/2023
    S.774-778
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Richtlinie 96/71/EG, Richtlinie 2014/24/EU, Art. 56 AEUV

EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-346/06 - Rüffert, Urteil vom 17.11.2015, Rs. C-115/14 - RegioPost

Abstract
Der Autor geht der Frage nach, ob sich das im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP aus Dezember 2021 verankerte Vorhaben zum Erlass eines Bundestariftreuegesetzes mit den europarechtlichen Vorgaben in Einklang bringen lässt. Den Ausgangspunkt bildet folgender Passus aus dem Koalitionsvertrag: „Zur Stärkung der Tarifbindung wird die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrags der jeweiligen Branche gebunden, wobei die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruht.“ Sodann werden die europarechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie sich aus der Entsenderichtlinie 96/71/EG und der Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 59 AEUV sowie der Vergaberichtlinie 2014/24/EU ergeben, dargelegt und die Rechtsprechungslinie des EuGH anhand der zu deutschen Tariftreueregelungen auf Landesebene ergangen Entscheidungen „Rüffert“ (03.04.2008, Rs. C-346/06) und „RegioPost“ (17.11.2015, Rs. C-115/14) nachgezeichnet. Der ausführlich dargelegten normative Rahmen dient der Analyse, ob das Vorhaben des Europarechts genügen kann und der Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen im Schrifttum. Im Ergebnis könne das im Koalitionsvertrag avisierte Bundestariftreuegesetz nicht umgesetzt werden. Vergaberechtlich sei die Berücksichtigung solcher sozialen oder beschäftungspolitischen Belange zwar zulässig. Die entsenderechtlichen Voraussetzungen würden hingegen nicht erfüllt, was der Autor aus rechtspolitischer Sicht nicht bedauert.
Dr. Jan Helge Mey, LL.M. (McGill), BHO Legal, Köln