Grenzen von Inhouse-Geschäften – und viele offene Fragen

Autor
Otting, Olaf
Heft
4
Jahr
2023
Seite(n)
219-222
Titeldaten
  • Otting, Olaf
  • NZBau - Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht
  • Heft 4/2023
    S.219-222
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Charlotte Thönißen, FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mbB, Frankfurt am Main
Abstract
Der Verfasser beschäftigt sich in dem Beitrag mit den Grenzen von Inhouse-Geschäften und bespricht dabei die Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache Commune di Lerici/Provincia di La Spezia und Sambre & Biesme. In der ersten Entscheidung hatte der EuGH zu beurteilen, welche Konsequenzen der nachträgliche Wegfall der Kontrolle des öffentlichen Auftraggebers über den Auftragnehmer in Folge einer Umstrukturierung hat. Der EuGH geht dabei insbesondere darauf ein, dass die Voraussetzungen des Art. 12 RL 2014/24/EU in einem solchen Fall nicht mehr vorliegen. Der Verfasser kritisiert, dass der EuGH sich nicht mit der eigentlichen Vorlagefrage beschäftigt habe, nämlich ob an die Stelle der Ausschreibung des Dienstleistungsauftrags die Ausschreibung der Gesellschaftsanteile an den Dienstleister treten könne. Er weist auch auf weitere offene Fragen hin, unter anderem, ob die Kontrolle einer Gebietskörperschaft noch von Bedeutung ist, wenn diese Gebietskörperschaft nicht mehr der öffentliche Auftraggeber ist und wie eine Ausschreibung um die Anteile am Auftragnehmer zu strukturieren gewesen wäre. Anschließend geht der Verfasser auf die zweite Entscheidung ein und macht im Vorfeld Ausführungen zur Zulässigkeit eines Inhouse-Geschäfts, wenn in dem Fall der öffentliche Auftraggeber mit anderen Gesellschaftern, welche alle öffentliche Auftraggeber sind, an dem Auftragnehmer beteiligt sind und welche Anforderungen an das dann erforderliche Kriterium der gemeinsamen Kontrolle zu stellen sind. Gemeinsame Kontrolle der Gesellschafter erfordere, dass diese alle im Vertretungsorgan des Auftragnehmers repräsentiert sind. In dem vorgelegten Fall hatte der EuGH darüber zu entscheiden, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn im Verwaltungsrat des Auftragnehmers eine Person als Vertreter eines öffentlichen Auftraggebers sitzt, die zugleich auch dem Verwaltungsrat des beauftragenden öffentlichen Auftraggebers angehört. Zum Schluss beschäftigt sich der Autor mit der Zulässigkeit von mittelbarer gemeinsamer Kontrolle durch eine gemeinsame beherrschte Einheit.
Rezension abgeschlossen
ja

Das International Procurement Instrument – Inhalt und Bedeutung für die Rechtspraxis

Autor
Rosenkötter, Annette
Schauer, Neele
Heft
2a
Jahr
2023
Seite(n)
283-288
Titeldaten
  • Rosenkötter, Annette; Schauer, Neele
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 2a/2023
    S.283-288
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Robert Thiele, MBA, TK / BMI, Berlin
Abstract
Die Verfasserinnen stellen die neue IPI–Verordnung 1031/22 vor. Diese Verordnung ermöglicht es der EU-Kommission, restriktive Praktiken eines Drittlandes zu untersuchen und Beschränkungen des EU-Beschaffungsmarktes für Angebote von Wirtschaftsteilnehmer aus den betroffenen Drittstaaten zu erlassen. Sie weisen darauf hin, dass das Government Procurement Agreement zwar nur die Vertragsstaaten bindet, die EU-Vergaberichtlinien und auch die deutschen Umsetzungsnormen jedoch bisher keine Marktzugangsbeschränkung für Drittstaaten, die nicht dem GPA unterfallen, vorsahen. Dies beeinträchtige die Verhandlungsposition der EU gegenüber diesen Drittstaaten. Mit der IPI–Verordnung (EU) 2022/1031 steht nun eine solches Instrument zu Verfügung. Die Verfasserinnen erläutern Ziel und Inhalt der Verordnung. Sie zeigen auf, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung nur auf die Richtlinien 2014/24/EU, 2014/25/EU und 2014/26/EU erstreckt und mehrere Ausnahmetatbestände vorsieht. Das Vorgehensmodell der Verordnung sieht drei Stufen von Untersuchungen bis zu Marktzugangsbeschränkungen vor. Zudem ist der Anwendungsbereich nur auf Aufträge ab einem Schwellenwert von mindestens 5 Mio. € bei Liefer- und Dienstleistungen und bei Bauleistungen und Konzessionen ab einem Wert von 15 Mio. € eröffnet. Anschließend zeigen die Verfasserinnen auf, wie ohne Rückgriff auf die derzeit noch nicht von der EU-Kommission angewendeten IPI–Verordnung Einfluss auf die Beteiligung und Angebote von Unternehmen aus Drittstaaten genommen werden kann. Neben den Beschränkungsmöglichkeiten aus § 55 SektVO seien datenschutzrechtliche Anforderungen, Vorgaben zur Lieferkette, und Nachhaltigkeitskriterien Ansatzpunkte, die einen solchen Einfluss bieten. Eine pauschale Beschränkung des Leistungsortes auf die GPA- oder EU-Staaten sei jedoch nicht zulässig. In ihrem abschließenden Fazit weisen sie darauf hin, dass sich Bedeutung des IPI in der Rechtspraxis insbesondere im kommenden Jahr zeigen wird, wenn die EU-Kommission ihre Leitlinien zur Anwendung der Verordnung veröffentlicht. Zudem sollten weitere Bestrebungen, wie das Foreign Subsidies Instrument und die Aktualisierung des GPA, beachtet werden.
Rezensent
Rezension abgeschlossen
ja

Small and Medium-sized Enterprises and EU Defence Procurement Law: The Soft Impact of Recommendation 2018/624/EU

Autor
Trybus, Martin
Heuninckx, Baudouin
Heft
3
Jahr
2023
Seite(n)
115-140
Titeldaten
  • Trybus, Martin; Heuninckx, Baudouin
  • PPLR - Public Procurement Law Review
  • Heft 3/2023
    S.115-140
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Dr. Christopher Wolters, BLOMSTEIN Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Berlin
Abstract
Die Empfehlung (EU) 2018/624 zum grenzüberschreitenden Marktzugang für Nachunternehmer und KMUs im Verteidigungsbereich ist die erste diesbezügliche spezifische Maßnahme der Europäischen Kommission. Hintergrund der nicht-rechtsverbindlichen Empfehlung ist, dass im Verteidigungsbereich vor allem die „Big Five“ Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Schweden über große Rüstungsunternehmen verfügen, welche überwiegend mit inländischen Lieferketten operieren. Mit der Empfehlung möchte die Kommission auf die Bedürfnisse der KMU eingehen, um ihnen den Marktzugang zu erleichtern. Der Artikel analysiert, ob die Empfehlung wirksam die Beteiligung von KMU am wettbewerblichen Vergabeverfahren für Verteidigungsaufträge erhöhen kann, indem die Vergabepraxis der mitgliedstaatlichen Verteidigungsministerien in den Blick genommen wird. Er kommt dabei zum Ergebnis, dass die Soft-Law-Regelungen für die Beschaffung von Verteidigungsgütern keine erkennbaren Auswirkungen hatte. Als Grund hierfür wird unter anderem die fehlende Rechtsverbindlichkeit der Empfehlung, die Wiederholung von bereits bestehenden, sich als unwirksam erwiesenen Regelungen und der hochangesetzte Schwellenwert identifiziert.
Rezension abgeschlossen
ja

Vom objektiven Empfängerhorizont

Untertitel
Bieter müssen die Vergabeunterlagen sorgfältig auslegen – Der typische Fall
Autor
Noch, Rainer
Zeitschrift
Heft
2
Jahr
2023
Seite(n)
29-31
Titeldaten
  • Noch, Rainer
  • Vergabe Navigator
  • Heft 2/2023
    S.29-31
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Robert Thiele, MBA, TK / BMI, Berlin
Abstract
Der Beitrag stellt die Grundsätze der Auslegung der Vergabeunterlagen anhand eines Praxisbeispiels dar. Ausgehend von einer Entscheidung der VK Rheinland- Beschluss v. 18.11.2022 – VK 35/22 arbeitet der Verfasser anhand der Rechtsprechung die Auslegungsgrundsätze heraus. Bedürfen die Vergabeunterlagen der Auslegung, sei dafür der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich. Die Auslegung der Vergabeunterlagen finde ihre Grenzen, wo sie unauflösbare Widersprüche enthalten. Die Auslegung sei hingegen möglich, wenn sie in Anbetracht der für den Auftrag gesetzten Rahmenbedingungen zu einem eindeutigen Ergebnis führe. An Eindeutigkeit der Vergabeunterlagen fehle es erst dann, wenn auch nach intensiven Auslegungsbemühungen des Bieters mehrere Verständnismöglichkeiten verbleiben. Der Bieter müsse sich dann jedoch fragen, was die Vergabestelle aus ihrer Interessenlage heraus wirklich gewollt habe. Abschließend zeigt er auf, dass eine Kollisionsklausel des Auftraggebers zur Abwehr von Auslegungswidersprüchen in den Vergabeunterlagen unwirksam sein kann, wenn sie nicht direkt bei den Eignungskriterien veröffentlicht wird.
Rezensent
Rezension abgeschlossen
ja

Paradiesische Aussichten

Untertitel
Das Open-House-System als attraktive Alternative zur Rahmenvereinbarung?
Autor
Noch, Rainer
Zeitschrift
Heft
2
Jahr
2023
Seite(n)
31-33
Titeldaten
  • Noch, Rainer
  • Vergabe Navigator
  • Heft 2/2023
    S.31-33
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Robert Thiele, MBA, TK / BMI, Berlin
Abstract
Einleitend beschreibt der Verfasser das Open House System und arbeitet die Unterschiede zur Rahmenvereinbarung heraus. Sodann stellt er den bisherigen Einsatzbereich des Open-House-Systems im Gesundheitswesen dar. Ausgehend von dem EuGH-Urteil vom 1.3.2018 – C-9/17 untersucht er sodann die Voraussetzungen für den Einsatz außerhalb der Systeme der sozialen Sicherung und arbeitet die Voraussetzungen und weitere Gestaltungsmöglichkeiten heraus, u.a. Manipulationssicherung der Auswahlentscheidung und die Möglichkeit der Schließung der Teilnehmerliste nach der Eignungsprüfung bei begrenzter Laufzeit des Systems. Anhand der Entscheidung des OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.02.2022 – 11 Verg 8/21 stellt er den Aspekt der Manipulationsscherung der Auswahlentscheidung an einem gescheiterten Open-House-System dar und leitet dadurch ab, dass Open-House-Systeme immer dann anwendbar seien, wenn der Leistungsbezieher nicht die Vergabestelle selbst, sondern eine Vielzahl von Dritten seien, die im Einzelfall den konkreten Leistungserbringer auswählen.
Rezensent
Rezension abgeschlossen
ja

Nachhaltige Beschaffung sozialer Dienstleistungen

Autor
Mussgnug, Friederike
Grosse, Ralf
Heft
1
Jahr
20022
Seite(n)
50-61
Titeldaten
  • Mussgnug, Friederike ; Grosse, Ralf
  • Heft 1/20022
    S.50-61
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

Robert Thiele, MBA, TK / BMI, Berlin
Abstract
Die Verfasser stellen in ihrem Beitrag erfolgreiche Beispiele sozial verantwortlicher Beschaffung vor und stellen die Erfolgsfaktoren vor. Einleitend stellen die Verfasser das Sondervergaberegime für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen und die vergaberechtlichen Regelungen zur nachhaltigen Auftragsvergabe dar. Sie stellen fest, dass das Vergaberecht den Auftraggebern ein differenziertes Instrumentarium zur Berücksichtigung sozialer Kriterien zur Verfügung stellt, jedoch in der Praxis Anwendungs- und Umsetzungsdefizite bestehen. Gründe hierfür seien u.a. die Ausgestaltung der Regelungen als Ermessensvorschriften, die einer Rechtfertigung bedürfen und eine nicht ausreichende personelle Ausstattung von Vergabestellen. Anschließend stellen sie erfolgreiche Praxisbeispiele und Studien zu sozialverantwortlichen Beschaffungen vor. Ausgehend davon arbeiten sie die Erfolgskriterien für sozial nachhaltige Beschaffungen heraus. Dabei gehen sie u.a. auf die erforderliche politische Unterstützung, insbesondere im kommunalen Bereich nicht nur auf den günstigen Preis abzustellen sowie auf den erforderlichen Dialog zwischen Beschaffungsstellen und Bedarfsträger um nicht am komplexen Sozialsystem vorbei auszuschrieben ein. Im letzten Abschnitt behandeln sie offene Fragen zur Forderung nach Tariflöhnen, dem Umgang mit regionalen Bezügen und der Lebenszyklusbetrachtung. In ihrem abschließenden Fazit zeigen sie u.a. auf, dass gerade der Anspruch sozialer Dienstleistungen, sozialer Not abzuhelfen, ein besonderes Engagement für die nachhaltige Beschaffung freisetzen sollte und der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom 24.11.2021 einen deutlichen politischen Willen erkennen lasse, die Nutzung der Gestaltungsspielräume für nachhaltige Beschaffung verbindlicher vorzugeben als bisher.
Rezensent
Rezension abgeschlossen
ja

Paradiesische Aussichten

Untertitel
Das Open-House-System als attraktive Alternative zur Rahmenvereinbarung?
Autor
Noch, Rainer
Normen
§ 21 VgV
Gerichtsentscheidung
VK Bund, Beschluss v. 25.5.2022 – VK 2-56/22
OLG Frankfurt, Beschluss v. 17.2.2022 – 11 Verg 8/21
LSG NRW, Beschluss v. 14.4.2010 – L 21 KR 69/09 SFB;
„MAKO“
EuGH, Urteil v.
19.5.2009 – C-171/07; „Doc Morris“
Zeitschrift
Heft
2
Jahr
2023
Seite(n)
31-33
Titeldaten
  • Noch, Rainer
  • Vergabe Navigator
  • Heft 2/2023
    S.31-33
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§ 21 VgV

VK Bund, Beschluss v. 25.5.2022 – VK 2-56/22, OLG Frankfurt, Beschluss v. 17.2.2022 – 11 Verg 8/21, LSG NRW, Beschluss v. 14.4.2010 – L 21 KR 69/09 SFB;
„MAKO“, EuGH, Urteil v.
19.5.2009 – C-171/07; „Doc Morris“

Elias Könsgen, Gasunie Deutschland Transport Services GmbH, Hannover
Abstract
Einleitend beschreibt der Verfasser das Open House System und arbeitet die Unterschiede zur Rahmenvereinbarung heraus. Sodann stellt er den bisherigen Einsatzbereich des Open-House-Systems im Gesundheitswesen dar. Ausgehend von dem EuGH-Urteil vom 1.3.2018 – C-9/17 untersucht er sodann die Voraussetzungen für den Einsatz außerhalb der Systeme der sozialen Sicherung und arbeitet die Voraussetzungen und weitere Gestaltungsmöglichkeiten heraus, u.a. Manipulationssicherung der Auswahlentscheidung und die Möglichkeit der Schließung der Teilnehmerliste nach der Eignungsprüfung bei begrenzter Laufzeit des Systems. Anhand der Entscheidung des OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.02.2022 – 11 Verg 8/21 stellt er den Aspekt der Manipulationsscherung der Auswahlentscheidung an einem gescheiterten Open-House-System dar und leitet dadurch ab, dass Open-House-Systeme immer dann anwendbar seien, wenn der Leistungsbezieher nicht die Vergabestelle selbst, sondern eine Vielzahl von Dritten seien, die im Einzelfall den konkreten Leistungserbringer auswählen.
Rezensent
Rezension abgeschlossen
ja

Augen auf bei Nachweisen über Merkmale der Leistungsbeschreibung, der Gleichwertigkeit und von Ausführungsbedingungen!

Untertitel
Zugleich Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 27.10.2022 – verb. Rs. C-68/21 und C-84/21 – Iveco Orecchia*
Autor
Hübner, Alexander
Normen
§ 31 Abs. 6 VgV
§ 33 Abs. 2 VgV
§ 121 GWB
§ 122 GWB
§ 128 Abs. 2 GWB
§ 28 SektVO
§ 31 SektVO
§ 7a EU Abs. 5 Nr. 2 VOB/A
Art. 42 Abs. 3 Buchst. b) Richtlinie 2014/24/EU
Art. 44 Richtlinie 2014/24/EU
Art. 60 Richtlinie 2014/25/EU
Art. 62 Richtlinie 2014/25/EU
Gerichtsentscheidung
EuGH Urt. v. 07.09.2021 – C-927/19 – Klaipedos
EuGH Urt. v. 27.10.2022 – verb. Rs. C-68/21 und C-84/21 - Iveco Orecchia
Heft
2
Jahr
2023
Seite(n)
152-158
Titeldaten
  • Hübner, Alexander
  • VergabeR - Vergaberecht
  • Heft 2/2023
    S.152-158
Zusätzliche Informationen:
Aufsatz

§ 31 Abs. 6 VgV, § 33 Abs. 2 VgV , § 121 GWB, § 122 GWB, § 128 Abs. 2 GWB, § 28 SektVO, § 31 SektVO, § 7a EU Abs. 5 Nr. 2 VOB/A , Art. 42 Abs. 3 Buchst. b) Richtlinie 2014/24/EU, Art. 44 Richtlinie 2014/24/EU, Art. 60 Richtlinie 2014/25/EU, Art. 62 Richtlinie 2014/25/EU

EuGH Urt. v. 07.09.2021 – C-927/19 – Klaipedos, EuGH Urt. v. 27.10.2022 – verb. Rs. C-68/21 und C-84/21 - Iveco Orecchia

Daniel Bens, avocado rechtsanwälte, München
Abstract
Der Autor setzt sich mit dem Problemfeld der Nachweisforderung für das Vorliegen technischer Leistungsmerkmale in Vergabeverfahren auseinander. Hierzu bespricht er in einem ersten Schritt ausführlich die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Iveco Orecchia vom 27.10.2022. Diese Entscheidung hatte die Beschaffung von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge zum Gegenstand. Der Auftraggeber forderte für die angebotenen Teile die Vorlage der kraftfahrzeugrechtlichen Typengenehmigung oder „andere geeignete Unterlagen“. Der EuGH hatte dann darüber zu entscheiden, unter welchen Umständen derartige Nachweise verlangt werden können bzw. müssen und welche Anforderungen an die ersatzweise vorgelegten „anderen geeigneten Unterlagen“ zu stellen sind. In einem zweiten Schritt extrahiert der Autor aus der Entscheidung des EuGH die maßgeblichen Feststellungen und führt diese einer über den eigentlichen Fall hinausgehenden Betrachtung zu. Hierbei setzt er sich dann dezidiert mit der Frage auseinander, wann gemäß § 33 VgV bzw. § 31 SektVO Bescheinigungen einer Konformitätsbewertungsstelle überhaupt gefordert und unter welchen Voraussetzungen diese durch andere geeignete Unterlagen ersetzt werden können. Anschließend geht der Autor der Frage nach, welche Anforderungen an die „anderen geeigneten Unterlagen“ zu stellen sind und ob insoweit generell - oder nur für den vom EuGH entschiedenen Fall über die Beschaffung von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge - Bestätigungen des jeweiligen Herstellers vorgelegt werden müssen. Abschließend weist der Autor darauf hin, dass die Problematik der Nachweiserbringung durch „andere geeignete Unterlagen“ nicht nur für Merkmale der Leistungsbeschreibung, sondern auch bei Ausführungsbedingungen im Sinne von § 128 Abs. 2 GWB virulent werden könne. Denn der EuGH habe in der Rechtssache Klaipedos erstmals festgestellt, dass technische Vorgaben in den Vergabeunterlagen gleichzeitig Merkmale der Leistungsbeschreibung (§ 121 GWB), Eignungskriterium (§ 122 GWB) und auch Ausführungsbedingung (§ 128 Abs. 2 GWB) sein könnten. Für die Praxis würden sich abhängig davon, ob der geforderte Nachweis ein Merkmal der Leistungsbeschreibung oder eine Ausführungsbestimmung betrifft, weitreichende Folgen ergeben. Denn lediglich dann, wenn es sich um ein Merkmal der Leistungsbeschreibung handeln würde, käme der Ausschluss des Bieters in Betracht, wenn er den geforderten Nachweis nicht erbringt. Handele es sich indes um eine Ausführungsbestimmung, käme unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH in den Sachen Klaipedos und Sanresa ein Angebotsausschluss regelmäßig nicht in Betracht. Denn in diesem Fall würde das Vorliegen bzw. die Gleichwertigkeit des Nachweises über die Einhaltung einer Ausführungsbestimmung nicht im Rahmen des Vergabeverfahrens geprüft.
Rezensent
Rezension abgeschlossen
ja